März 14

Kinderbilder – Mama schön?

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Mein Sohn würde nie auf die Idee kommen, dass er nicht malen könnte. Die Farben wählt er schon selbst aus und der Pinsel und das Blatt müssen groß und am besten noch größer sein. Er malt ganz selbstverständlich und das tut er mit völliger Hingabe.

Überrascht hat mich allerdings seine Frage: „Mama, schön?“. Ich versuchte mich ein wenig um die Antwort herum zu schummeln und sprach von etwas anderen. Er sah mich allerdings sehr konzentriert an und fragte noch einmal mit ein wenig mehr Nachdruck: „Mama, schön??“. 

Wie sollte ich nun auf diese Frage reagieren? Viele Gedanken gingen mir im Kopf umher, als ich sein Bild ansah. Schwarze und rote Striche, das ganze Bild damit voll bemalt. Ein riesiger vermengter blau-schwarzer Klecks auf Packpapier, das sich von der nassen Farbe wellte. 

Ich wollte nicht „Super“, „Schön“, „Toll“ sagen, weil es ja beim Malen nicht um die Anerkennung der anderen gehen sollte. Ich erlebe diesen Wunsch nach Rückversicherung oft bei der Mal- und Gestaltungstherapie mit Erwachsenen. Eine riesige Hürde ist es oft einen Stift oder Pinsel in die Hand zu nehmen und dann das gemalte Werk anzusehen. Hier werten sich die Erwachsenen dann oft selbst ab.Bei meinem jungen Maler merkte ich allerdings, dass es nicht nur um ein Lob oder Anerkennung für seine Leistung gehen konnte. Hinter seiner Frage: „Mama schön?“ musste noch etwas anderes stecken. Renate Gier schreibt in ihrem Buch „Die Bildsprache der ersten Jahre verstehen“, dass kleine Kinder sich in ihrem Werk als Ganzes selbst beurteilt fühlen. Vier einfache Regeln helfen uns achtsamer und behutsamer mit Kindern und Kinderzeichnungen umzugehen.

Regel Nr. 01: „Findest du mein Bild schön?“

Bei kleinen Kindern geht es um die Anerkennung als eine Person und nicht nur um das Bild alleine. So wende ich mich als erstes zum Malenden hin und sage, wie ich ihn beim Malen erlebt habe: z.B. konzentriert, energisch, verträumt, zielstrebig, vertieft oder so etwas ähnliches.

Dann erst betrachten wir das Bild gemeinsam und wir beginnen ein Gespräch über die Farben, die Darstellung (wenn es erkennbar ist), den Inhalt, das verwendete Material. Hier kann ein echter Dialog entstehen, in dem Sie einfach neugierig sein dürfen und so wenig wie möglich vorgefasste Ideen einbringen müssen.

So fühlt sich das Kind ernst genommen 

Regel Nr. 02: „Mein Bild im Kopf muss nicht das deine sein“

Oft meinen Erwachsene, dass etwas in einer Kinderzeichnung so oder so sein müsste. „Hier fehlt ja der Bauch“ z.B. bei einer Kopffüsslerzeichnung oder sie erkennen das Auto als Spinne und dann meinen, etwas daran verbessern zu müssen. 

Das kann eine völlige Falschinterpretation des Dargestellten sein. 

Hier braucht es meiner Meinung nach keine Verbesserungen oder pädagogischen Ratschläge oder ein „Reinmalen“ ins Bild (die kommen sowieso in der Schule noch früh genug). Sie können das Bild einfach so lassen und mit der nötigen Neugier (siehe Regel Nr. 01) betrachten. 

Regel Nr. 03: „Dürfen Erwachsene Kindern etwas vormalen?“

„Mama bitte Auto malen!“ - Mein Sohn kommt öfters zu mir, damit ich ihm ein Auto male. Von seiner zeichnerischen Entwicklung ist er auf der Schwelle der Kritzelphase zur Kopffüßlerphase. Wenn ich ihm ein Auto male, dann nehme ich Rücksicht auf seine Entwicklungsphase und male ein Auto von oben. Er freut sich immer, wenn ich ihn einlade die vier Autoreifen darzustellen.

Ich nehme also auf seinen Entwicklungsprozess Rücksicht und schlage seine Bitte aber nicht ab. Ich versuche daraus einen gemeinsamen Bildprozess zu machen, wo jeder etwas zum Bild beiträgt. So versuche ich in seine Bildwelt und damit Erlebniswelt einzutauchen. 

Regel 04: „Darf/kann/soll man mit Kindern über ihre Bilder sprechen?“

Das hängt von der jeweiligen Entwicklungsstufe ab.

Für Kinder in der Kritzelphase (1 ½ - 3 ½ Jahre) hat das Bild nach dem Entstehen keine Bedeutung mehr. Der Malprozess ist für das Kind abgeschlossen und drückt Körpererinnerungen aus. Wenn das Kind nach dem Malen zu Ihnen kommt, dann möchte es in der Regel Körperkontakt, weil das Malen auch sehr aufwühlend sein kann. 

In der Kopffüßlerphase/Rollenspielzeit (3 ½ - 5 ½ Jahre) sind die Bilder oft fantasievoll und aufregend. Das Kind kann sie in diese Fantasiewelt mitnehmen und auch ihre eigene Fantasie anregen. In späteren Entwicklungsphasen kann man sich mit Kindern schon sehr gut über ihre Bilder unterhalten. Auch das Kind ist über Ihre Sichtweise interessiert, wenn Sie auf Ihre Sprache und Tonfall achten. Kritik, Beschämung, Verhöre, Verbesserungsvorschläge, geringes Interesse sind für einen Dialog nicht sehr gut geeignet. Auch wenn Sie vieles nicht gleich verstehen, lassen Sie sich vom Malenden durch das Bild führen. 

Ich würde mir wünschen, dass es einen viel achtsameren Umgang mit Kindern und den entstandenen Kinderzeichnungen geben würde. Das Wissen über die Bildsprache der ersten Jahre könnte dazu beitragen, dass wir Kinder in der Entwicklung ihrer Kreativität besser begleiten können. Dasselbe gilt auch für den behutsamen und achtsamen Umgang von Bildern von Erwachsenen. 

Die oben genannten Regeln für den Umgang mit Kinderzeichnungen können gleichsam auch für das gemalte Werk von Erwachsenen angewendet werden, damit könnten viele ein kreativeres, freud- und lustvolleres Leben führen. Und einen wunderschönen inspirierenden Anteil, der in jedem von uns schlummert, ohne Bewertung leben.


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