April 30

Das Hochstapler Syndrom

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Das Hochstapler Syndrom (auf Englisch Impostor Syndrom) ist ein Phänomen, das talentierte, fähige und sehr erfolgreiche Menschen massiv an ihren Leistungen zweifeln lässt, obwohl diese objektiv und neutral nachgewiesen sind. Sie glauben den Erfolg nicht verdient zu haben und sind davon überzeugt, dass sie jederzeit „aufgeklatscht oder ertappt” werden können. Das Gegenteil davon sind sehr unfähige und inkompetente Menschen, die sich dafür aber für großartige und einzigartige Menschen halten. Diese Erscheinungsformen kommen in Organisationen sehr oft vor, genau darüber haben Manuela und Werner Sattlegger in der aktuellen Art of Life Podcast Episode #24 gesprochen.  

WAS DAS HOCHSTAPLER SYNDROM IST

Der Begriff tauchte das erste Mal in einem Artikel aus dem Jahre 1978 auf, den die beiden Wissenschaftlerinnen Clance und Imes der George State University veröffentlicht haben. Darin beschreiben sie, wie trotz hervorragender akademischen und beruflichen Leistungen Frauen darauf beharren, dass sie weder intelligent noch erfolgreich seien. So entkräftete zum Beispiel eine Professorin ihren beruflichen Erfolg mit dem Einwand: “Ich bin nicht gut genug, um an dieser Fakultät zu arbeiten. Im Auswahlprozess muss ein Fehler aufgetreten sein.” Als klinische Symptome werden in dieser Studie allgemeine Ängstlichkeit, fehlendes Selbstvertrauen und Frustration beschrieben. Später wurde in einer Studie aus den 90er Jahren bestätigt, dass auch Männer davon betroffen sind, aber unterschiedliche Bewältigungsstrategien entwickelt haben: Frauen kompensieren das Hochstapler Syndrom mit defensiver Zurückhaltung und Männer durch Geschäftigkeit (Quelle Masterarbeit: James Beard, George State University, 1990). Insgesamt scheinen in der Bevölkerung rund 20 bis 30 %  davon betroffen zu sein.

WIE GEHT MAN ALS BETROFFENER DAMIT UM?

Da die innere „Hochstapler Stimme“ schwer zu verändern ist, gilt wie bei anderen inneren Stimmen, sich diesen bewusst zu werden. Denn vielen Menschen ist dieser selbstzerstörerische innere Mechanismus nicht bewusst und bleiben daher in unbewussten Mustern stecken. Alles beginnt mit Bewusstwerdung dieser inneren Stimme, wie diese im Alltag subtil agiert und sabotiert, wenn es z.B. wieder einmal darum, geht “die Ernte einzufahren” und dann diese innere Stimme sagt, dass Du das gar nicht verdient hast. Schuldgefühle bis hin zu Scham sind die Folge, die Negativspirale beginnt sich wieder zu drehen. Wenn man das rechtzeitig erkennt, kann man die inneren positiven und stärkenden Kräfte fördern und dorthin die Aufmerksamkeit richten, z.B. mit einer Wertimagination.

Es gibt zum Hochstapler Syndrom auch noch den passenden Gegenpart und zwar den:

DUNNING KRUGER EFFEKT

Bertrand Russell schrieb im Essay – The Triumph of Stupidity: Der Hauptgrund für alle unsere Schwierigkeiten liegt darin, dass in der modernen Welt die Dummen vollkommen sicher sind, während die Intelligenten voller Zweifel sind“. Er hat dabei auf das Phänomen hingewiesen, dass oft sehr unfähige und inkompetente Menschen sich als sehr fähig halten.

Dieses Sozialverhalten wurde in einer Studie von David Dunning und Justin Kruger (Cornell University) im Jahre 1999 im folgenden Artikel nachgewiesen, seitdem als Dunning-Kruger-Effekt bekannt: Der eigenen Unfähigkeit nicht bewusst: Wie Schwierigkeiten, die eigene Inkompetenz zu erkennen, zu Selbstüberschätzung führen“ .

Dieser Effekt wird in der Regel durch den Vergleich von Selbsteinschätzung und objektiver Leistung gemessen. Personen im unteren Viertel der Leistungsskala neigen dazu, sich als Teil des oberen Viertels der Leistungsskala zu sehen. Beide Forscher führten diverse Tests durch und kamen zum Resultat, dass weniger kompetente Personen

·      dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen,

·      überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht erkennen,

·      das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht richtig einschätzen,

·      durch Bildung oder Übung nicht nur ihre Kompetenz steigern, sondern auch lernen können, sich und andere besser einzuschätzen.

Diese Tests waren am Anfang nur auf logisches Denken oder Grammatik beschränkt, wurden dann auch bei Fähigkeiten wie Wirtschaft, Medizin oder Luftfahrt erweitert.

„Wenn man inkompetent ist, kann man nicht wissen, dass man inkompetent ist. Die Fähigkeit, die sie benötigen, um eine richtige Antwort zu geben, sind genau die Fähigkeiten, die sie benötigen, um zu erkennen, was eine richtige Antwort ist“, schreibt der Autor der Studie David Dunning.

Der Effekt wird daher in Bezug auf metakognitiven Fähigkeiten erklärt, man ist nicht fähig über sich selber nachzudenken.

Der Dunning-Kruger Effekt hat fatale Auswirkungen in Organisationen: Fehlentscheidungen, Menschen wählen einen falschen Beruf, bewerben sich für die falsche Position oder er kann Menschen daran hindern, sich mit den eigenen Schwächen auseinanderzusetzen.

WIE HOCHSTAPLER UND DUNNING-KRUGER ZUSAMMENPASSEN

Die guten, fleißigen und erfolgreichen Mitarbeiter in Organisationen sind oft die höflichen und angepassten Menschen, die viel zu oft anderen Menschen und Führungskräften den Vortritt lassen. Sie melden sich oft nicht zu Wort, halten sich mit Vorschlägen zurück, weil die Sitzung schon zu Ende ist und vom “Bla Bla” erstickt worden ist. Dann bewundern diese Menschen dann auch noch aus einer gewissen Unsicherheit auf der anderen Seite die “Lauten und Wichtigtuer” . Beide passen daher zusammen, wie der Schlüssel in ein Schloss.

Das ist aber sehr fatal, denn dadurch wird eine Organisation geschwächt und gelähmt. Produktivität sinkt, Fehlentscheidungen kosten viel Geld und die Unternehmenskultur ist im Keller. Ein Negativspirale fängt sich an zu drehen, Mitarbeiter verlassen genervt das Unternehmen, potentielle Kandidaten wenden sich ab.

WAS KÖNNEN ORGANISATIONEN TUN?

Wir alle tragen große Verantwortung, wen wir auf Grund welcher Qualifikationen wann aus welchem Grund zur Führungskraft machen. In der Juristerei spricht man von der sogenannten Einlassungsfahrlässigkeit, die genau diese Verantwortung ausdrückt. “Cultural Fit” bedeutet, dass nur jemand in Führungsetagen in einem großen Konzern kommt, wenn er zur Kultur passt und die dort gelebten Werte auch verinnerlicht. Bei Google kommt niemand hinein, wenn dieser “Fit” nicht gegeben ist. Das gilt auch für den CEO, bevor zum Beispiel der legendäre Eric Schmidt in die Chefetage bei Google einzog, ging er mit den Gründern eine Woche auf das “Burning Man Festival”.

In Österreich zählt gerade bei öffentlichen Ausschreibung noch immer nicht die Qualität, Qualifikation oder Kompetenz, sondern Side Letter, Seilschaften wie “old boys connections” oder Abhängigkeiten. Das ist fatal und richtet großen Schaden an.

Wir sollten uns auch von “Social Codes” wie gutem Auftreten, MBA Titel oder rhetorischen Fähigkeiten nicht täuschen lassen, oft sind es nur Blender die es weit schaffen.

Gleichzeitig muss auch jeder erkennen, dass alles mit Selbsterkenntnis und dem Blick nach Innen beginnt. Denn auch wenn man auch außen sehr erfolgreich ist, alles auch wirtschaftlich und nach objektiven Kriterien belegt ist, bedeutet das auch nicht gleichzeitig einen gesunden Selbstwert. Die Klinik in Malibu ist voll von Celebrities mit geringem Selbstwert, Stars wie Amy Winehouse oder Whitney Houston sollen uns warnende Beispiele bleiben.

Das Wichtigste aber ist, dass Betroffene erkennen, wann der der innere Hochstapler wieder am Werk ist und unsere Entwicklung blockiert und uns damit schadet. In der Bibel gibt es auch die Gesichte des begabten Predigers Jonas, der sein Talent nicht lebt und dafür bestraft wird. In der Psychologie spricht man daher vom sogenannten Jonas Komplex, der Angst vorm Erfolg und die beste Version von sich selbst zu werden. Dies als eindringliche Warnung, dass Potentialentfaltung sogar unsere ureigenste Verpflichtung ist.

Wir haben nicht nur Erfahrung gemacht, dass dies nicht nur unsere Verpflichtung ist, sondern unfassbar viel Freude macht.

Autoren: Mag. Manuela und Werner Sattlegger, Founder Art of Life

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